Enio Mancini

Enio Mancini war am Tag des Massakers vom 12. August 1944 sechs Jahre alt. Er lebte in dem Ort Sennari, wo die Nazis Häuser niederbrannten und Menschen, vor allem Frauen, Kinder und Senioren, zusammen trieben, ohne jemanden zu verschonen. Als Erwachsener hat Enio nie aufgehört, seine Erinnerungen zu teilen und sich für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen.

Als Enios Vater die Nachricht von der Ankunft der Nazis erhielt, war es Morgen. Enio war sechs Jahre alt und lag noch im Bett. Aus Angst, gefangen genommen zu werden, floh der Vater mit den anderen Männern in den Wald. Enio blieb mit seiner Mutter und der ganzen Familie zu Hause. Kinder, Frauen und ältere Menschen waren überzeugt, dass sie nicht in Gefahr waren. Als die Nazis in das Haus eindrangen, zwangen sie die Bewohner, sich draußen vor einem Maschinengewehr aufzustellen. Sie befürchteten auf der Stelle erschossen zu werde, stattdessen wurden sie von einem Soldaten begleitet, der ihnen befahl, in Richtung des Dorfes Valdicastello zu gehen. Die zusammengetriebenen Menschen wurden in kleinen Gruppen unterteilt, wobei jede Gruppe ein anderes Ziel wählte. Die Familie von Enio kam an ihrem Haus vorbei und sah es brennen. Sie beschlossen, sich im Wald zu verstecken, um den Abzug der Nazis abzuwarten und zu versuchen, das, was noch übrig war, zu retten und die im Stall verbliebene Kuh zu befreien. Sie wurden von einer anderen Gruppe von Soldaten gefunden, die sie zwangen, sich entlang eines Weges aufzustellen. Unterwegs wurden sie mit einem einzelnen Nazi zurückgelassen, der das Maschinengewehr nahm und ihnen befahl, weiterzugehen. Enio sah, wie der Soldat in die Luft schoss, hörte die Schüsse, aber niemand wurde getötet. Sie waren verschont worden. Sie beschlossen, zurückzugehen, um näher an das Haus heranzukommen. Sie versteckten sich wieder im Wald. Sie hörten und sahen den Rauch, ohne zu ahnen, was auf der anderen Seite des Dorfes geschah. Erst am Nachmittag kamen sie aus ihrem Versteck und entdeckten die zerstörten Häuser und die zerfetzten Körper. Wie andere Überlebende lebten Enio und seine Familie bis zur Ankunft der Alliierten im Wald.

In den Jahren nach dem Massaker verließ Enio das Dorf, begann zu arbeiten und heiratete. Seit der Gründung der Märtyrervereinigung von Sant’Anna di Stazzema im Jahr 1970 hat Enio dazu beigetragen, die Erinnerung an das Massaker zu bewahren. Für diese Rolle wurde er 2020 zusammen mit Enrico Pieri zum Kommandeur des Verdienstordens der Italienischen Republik ernannt.

Milena Bernabò

Milena Bernabò war 15 Jahre alt, als sie und viele weitere Menschen am 12. August 1944 zusammengetrieben und in einem Stall eingesperrt wurden. Die Nazis schossen und legten Feuer, Milena wurde verwundet, konnte sich allerdings, sowie drei andere junge Überlebende, vor dem Tod retten.

Milena Bernabò war am Tag des Massakers von Sant’Anna di Stazzema 15 Jahre alt. Sie war früh aufgestanden, um Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle zu holen, als sie in der Ferne eine Kolonne von Nazis herankommen sah. Verängstigt kehrte sie nach Hause zurück, um Alarm zu schlagen und mit ihrer Schwester und drei anderen jungen Freunden zu besprechen, was zu tun sei. Ihr Plan war es ursprünglich den Ort namens Ponte Rosso zu erreichen, um dort einige Waren einzukaufen. Obwohl sie große Angst hatten, beschlossen sie alle, gemeinsam aufzubrechen. Kurz darauf begriffen sie, dass es besser gewesen wäre, umzukehren, um das Dorf zu schützen, denn die Nazis waren im Anmarsch und jeder wusste, dass sie in den Tagen zuvor in Farnocchia und Montornato die Häuser niedergebrannt und alle Waren gestohlen hatten.

Als die Nazis ankamen, wurden Milena und ihre Schwester Lole mit anderen Menschen aus der Nachbarschaft zusammengetrieben und gezwungen, in Richtung Vaccareccia zu laufen. Milena und die anderen wurde in einem Stall eingesperrt. Die Nazis schossen und brannten alles an, Milena wurde verwundet und konnte kaum noch atmen, und trotzedem entdeckte sie einige Kinder, die noch am Leben waren: Mauro Pieri, der 12 Jahre alt war, Mario Ulivi, der 5 Jahre alt war und Lina Antonucci, die 9 Jahre alt war. Milena sah einen Fluchtweg, sie kletterte auf eine Holzplanke, ging in das obere Stockwerk des Stalls und mit Hilfe von Mauro rettete sie Mario und Lina das Leben. Außerhalb des Stalls fanden sie ein weiteres überlebendes Kind, Ennio Navari. Sie wurden Stunden später gefunden. Sie waren schmutzig, verletzt und schockiert.

In den folgenden Monaten lebte Milena mit ihrem Vater und den wenigen Überlebenden in den Höhlen im Wald. Sie hatten Angst, die Nazis könnten zurückkommen. Erst nach dem Krieg kehrte sie in ihre alte Heimat zurück. Am 12. Oktober 2004 würdigte die Italienische Republik ihren Mut, indem sie ihr die Goldene Medaille für Zivilcourage verlieh, ebenso wie Genny Bibolotti Marsili und Cesira Pardini.

Elena Guadagnucci

Elena Guadagnucci und ihr Sohn Alberto lebten in Sant’Anna di Stazzema, als das Massaker stattfand. Elena war bei den anderen Frauen des Dorfes und wurde schwer verwundet. Sie starb  wenig später an ihren Verletzungen. Alberto konnte sich im Wald verstecken und überlebte.

Elena Guadagnucci wurde in Avenza geboren. Sie lebte mit ihrem Sohn Alberto in einem Ort namens Fiumetto. Sie war eine alleinstehende Frau, bescheiden und fleißig. Während des Krieges war sie nach Tonfano umgezogen, wo Alberto die Grundschule besuchte. Nach dem Evakuierungsbefehl der deutschen Besatzer  im Sommer 1944 fand Elena eine Unterkunft in Sant’Anna di Stazzema.

Dort waren sie zu Gast in der Ortschaft Argentiera bei der Familie Bernabò. Elena half  bei der Hausarbeit, während ihr Sohn mit einem anderen Jungen, Arnaldo, spielte. Am 12. August 1944, als die  deutschen Truppen gesichtet wurden, versteckten sich Arnaldo und sein Großvater zunächst hinter einem Busch. Alberto schloss sich ihnen an,  gemeinsam gingen sie dann in den Wald, wo sie sich versteckten.

Alberto und Arnaldo hörten die Schüsse, die Schreie und sie sahen das Feuer. Nachdem es still geworden war, rannte Alberto weg, nahm etwas Brot mit und erreichte Valdicastello, wo er Freunde seiner Mutter fand. Am Tag nach dem Massaker kehrte er nach Sant’Anna zurück und fand seine Mutter. Elena war im Stall von Vaccareccia verwundet worden. Sie musste ins Krankenhaus gebracht werden, aber niemand konnte sie transportieren. Alberto ging zurück nach Valdicastello, um Hilfe zu holen, aber als er nach Sant’Anna zurückkehrte, war seine Mutter bereits verstorben. 

Nach dem Massaker wurde Elena, wie viele andere Menschen auch, zusammen mit den anderen Opfern begraben. Alberto erfuhr nie, wie und wo genau sie begraben wurde. Er besaß nur einige  Fotos von seiner Mutter. Bis zum Prozess gegen die Täter des Massakers in La Spezia sprach er nicht über das, was in Sant’Anna di Stazzema geschehen war.  

Am 15. November 2017 wurde in Avenza,  Elenas Heimatstadt, ein öffentlicher Garten zu ihrem Gedenken eingeweiht.

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.

Cesira Pardini

Cesira Pardini war die älteste Tochter einer Familie mit neun Kindern. Am Tag des Massakers von Sant’Anna di Stazzema wurde sie zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern gefangen genommen. Obwohl sie selbst verwundet wurde, gelang es Cesira, ein Versteck für ihre jüngeren Schwestern zu finden und deren Leben zu retten.

Cesira Pardini war die erste Tochter einer großen Familie, die aus elf Personen bestand. Sie hatte sechs Schwestern: Maria, Licia, Lilia, Siria, Adele und Anna und zwei Brüder: Vinicio und Vittorio. Die Familie Pardini lebte in einem Dorf namens Coletti. Wie andere Dorfbewohner auch, hatten die Pardinis mehrere Vertriebene aufgenommen. Am Morgen des 12. August 1944, als die deutschen Truppen gesichtet wurden, half Cesira ihrer Mutter, das Haus zu sichern, da sie befürchteten, die Soldaten würden die Häuser in Brand setzen, Lebensmittel und andere Dinge stehlen und die Männer zusammen treiben. Dann ging sie weg, um einem anderen Dorfbewohner zu helfen, eine Kuh und einen Ochsen zu verstecken. Sie bemerkte das Feuer, das auf dem Kirchplatz loderte, und kehrte nach Hause zurück. Cesira wurde gefangen genommen und in ihr Haus gebracht, wo bereits eine Gruppe von etwa 35 Personen versammelt worden war. Dort stand sie mit ihren Schwestern Maria, Lilia, Adele und Anna, die noch ein Baby war und in den Armen ihrer Mutter Bruna lag. Dann eröffneten die Deutschen das Feuer und trafen alle Anwesenden. Cesiras Mutter wurde am Kopf getroffen und starb. Cesira fiel unter ihre Mutter und schaffte es, eine Kellertür zu öffnen. Obwohl auch sie verwundet war, schnappte sie sich ihre Schwestern und rettete sie. Sie wusste, dass sie fliehen mussten, wenn sie überleben wollten. Cesira nahm ihre kleine Schwester Anna auf ihren unverletzten Arm und führte ihre Schwestern in den nahe gelegenen Wald. Die deutschen Soldaten entdeckten sie und eröffneten das Feuer, doch es gelang ihnen zu entkommen, ohne nochmals getroffen zu werden.

Nachdem der Überfall beendet und es im Dorf wieder ruhig geworden war, kehrte Cesira in ihr Haus zurück. Dort waren alle tot, bis auf ein Kind namens Paolo, das von Leichen bedeckt war. Cesira gelang es, ihn von den Leichen zu befreien. Dann kehrte sie zu ihren Schwestern zurück und stellte fest, wie schwer zwei von ihnen, Anna und Maria, verletzt waren. Beide Mädchen starben einige Tage später im Krankenhaus von Valdicastello. Zum Zeitpunkt ihres Todes war Anna gerade einmal einen Monat alt.

Nach dem Massaker heiratete Cesira. Sie lebte mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Sant’Anna. Später wanderte sie, wie viele andere, aus. Am 17. Mai 2012 wurde Cesiras heldenhafter Einsatz mit der Verleihung der Medaglia d’oro al valor civile gewürdigt.

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.
Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.

Michail Wassilewitsch Lewschenkow

Mit 26 Jahren wurde Michail Lewschenkow 1940 zum Militärdienst in die Rote Armee eingezogen. Als sowjetischer Kriegsgefangener kam er im Herbst 1941 in das Konzentrationslager Buchenwald. Dort schloss er sich der Widerstandsorganisation sowjetischer Häftlinge an.

Michail Lewschenkow wuchs in einer Bauernfamilie in dem kleinen Dorf Zaretsche bei Pskow in Russland auf. Das Lernen und Lehren waren sein Lebensinhalt. Bereits mit 18 Jahren arbeitete er als Lehrer in einer Dorfschule. Er stieg auf zum Dorfschuldirektor und absolvierte parallel eine Lehrerausbildung an einer Hochschule. Er lernte seine Frau kennen. Gemeinsam unterrichteten sie. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde 1939 ihre Tochter geboren. Doch der Krieg zerstörte das Familienglück. Bereits wenige Wochen nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion geriet Michail Lewschenkow bei Minsk in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Im Umgang mit den sowjetischen Kriegsgefangenen verstieß die deutsche Wehrmacht vorsätzlich gegen alle völkerrechtlichen Konventionen. Zahllose Gefangene wurden ermordet oder verhungerten in Kriegsgefangenenlagern hinter der Front. Michail Lewschenkow durchlief verschiedene Lager, bevor er im Oktober 1941 mit einer Gruppe von 2.000 sowjetischen Kriegsgefangenen in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt wurde. Dort sollten sie zur Zwangsarbeit eingesetzt werden. Die SS sperrte die Männer jedoch in einen abgeriegelten Bereich des Lagers und setzte ihre Verpflegung herab. Jeder Dritte starb in den folgenden sechs Monaten an Hunger oder Krankheit.

Doch Michail Lewschenkow überlebte diesen ersten Winter in Buchenwald. Ab 1942 musste er im Steinbruch, später im Tischlereikommando und als Sanitäter arbeiten. Er beteiligte sich am Aufbau einer geheimen Widerstandsorganisation sowjetischer Häftlinge. Seine Aufgaben waren das Sammeln von Informationen und die Betreuung der im Lager inhaftierten sowjetischen Jugendlichen. Zusammen mit anderen Häftlingen brachte er den Jungen, von denen nur wenige eine Schule besucht hatten, Lesen und Schreiben bei. Heimliche Konzerte oder Schachturniere halfen ihnen, den lebensfeindlichen Bedingungen im Konzentrationslager zum Trotz ihren Lebenswillen zu erhalten.

Auf einem Todesmarsch gelang Michail Lewschenkow im April 1945 die Flucht. Seine Rückkehr in die Heimat hielt er in seinem Tagebuch fest: „Auf den alten Wegen. Am 1. Dezember 1945 kehrte ich nach Hause zurück. Wie viel Freude und wie viel Kummer.“ Sein Dorf hatten die deutschen Besatzer zerstört, seine beiden Brüder waren als Soldaten ums Leben gekommen, seine Frau an Tuberkulose gestorben. Seine Eltern und seine Tochter fand er in einer selbstgebauten Erdhütte vor. Michail Lewschenkow blieb seiner Leidenschaft treu und arbeitete bis zum Ruhestand wieder als Lehrer.

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.

Enrico Pieri 

Enrico Pieri, war am Tag des Massakers von Sant’Anna di Stazzema zehn Jahre alt. Am Morgen des 12. August 1944 wurde er zusammen mit Grazia und Gabriella Pierotti gerettet. Er war ein Waisenkind und wuchs in Sant’Anna bei seinem Onkel Duilio auf. 

Enrico Pieri lebte mit seinem Vater Natale, seiner Mutter Irma Bartolucci und zwei Schwestern, Alice und Luciana, in der Gegend von Franchi. Zwischen dem Alarm, der die Ankunft der Nazi-Truppen ankündigte, und dem Eindringen der Soldaten in Enricos Haus verging nur wenig Zeit. Er sah etwa zehn bewaffnete Männer in Tarnkleidung, und wurde zusammen mit anderen Personen auf den Kirchplatz gedrängt. Dann änderten die Soldaten plötzlich die Richtung und führten sie zum Haus der Familie Pierotti. Sie standen in der Küche, etwa dreizehn oder vierzehn Personen, als die Soldaten zu schießen begannen. Enrico versteckte sich mit einem kleinen Mädchen, einer der Pierotti-Schwestern, unter der Treppe. Als die Schießerei aufhörte, sah Enrico, wie die Nazi-Soldaten brennendes Getreide in den Raum warfen und verstand, dass sie fliehen mussten. Erst dann bemerkte er, dass noch ein weiteres kleines Mädchen am Leben war. Es war die zweite Pierotti-Schwester. Enrico, Grazia und Gabriella flüchteten in einen Schuppen, in dem Bohnen aufbewahrt wurden, und warteten in aller Stille auf den Abend. Grazia und Gabriella kamen als erste aus ihrem Versteck. Sie gingen zurück zum Haus, wo sie alle tot auffanden. Enrico hat seinen Vater, seine Mutter, seine Schwestern und seinen Großvater verloren. Grazia und Gabriella Pierotti haben ihren Vater, ihre Mutter, zwei Brüder und eine Tante verloren. Nach dem vergeblichen Versuch, das Feuer zu löschen, rannten die drei Kinder in Richtung Valdicava davon, wo sie auf andere Überlebende trafen.

Enrico wuchs in Sant’Anna di Stazzema bei seinem Onkel Duilio auf. Duilio Pieri war eine wichtige Figur beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Krieg. So ging beispielsweise der Bau einer Straße Ende der 1960er Jahre auf seine Initiative zurück. Enrico beschloss, wie viele andere überlebende Gleichaltrige, 1951 wegzuziehen, zunächst nach Valdicastello und dann nach Viareggio. Noch im selben Jahr ging er in die Schweiz, wo er 32 Jahre lang lebte. Nach seiner Pensionierung kehrte er nach Sant’Anna Stazzema zurück. Bis zu seinem Tod widmete sich Enrico der Weitergabe der Erinnerung an das Massaker, seine Opfer und die Überlebenden. Im Laufe der Jahre wurde er zum Überbringer von Gedanken des Friedens und der Vergebung, während er die Erinnerung an das historische Ereignis wach hielt. Für diese Rolle wurde er im Jahr 2020 als Commendatore dell’ordine al merito della Repubblica italiana ausgezeichnet. 

Rudolf Böhmer

Rudolf Böhmer war 15 Jahre alt, als er im Mai 1944 nach Auschwitz gebracht wurde. Die Kriminalpolizei hatte den Jungen in einem Erziehungsheim aufgespürt und seine Deportation veranlasst.

Seit 1934 lebte Rudolf Böhmer mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und drei Schwestern in Quedlinburg im Harz in ärmlichen Verhältnissen. Weil sie Sinti waren, litt die Familie unter zahlreichen rassistischen Diskriminierungen. Rudolf bereitete seinen Eltern Sorgen: Er schwänzte öfters die Schule und beging kleinere Diebstähle. Mit elf Jahren wurde er deshalb in das Raphaelsheim, ein katholisches Erziehungsheim in Heiligenstadt eingewiesen. Seine schulischen Leistungen verbesserten sich, und er interessierte sich insbesondere für die Landwirtschaft.

Während Rudolf an seinem Schulabschluss arbeitete, geriet seine Familie in die Fänge der Verfolgungsbehörden. Im Dezember 1942 befahl Reichsführer-SS Heinrich Himmler, alle im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu deportieren. Drei Monate später verhaftete die Kriminalpolizei Rudolfs Eltern und seine Schwestern Elsa, Liselotte und Therese und verschleppte sie in das kurz zuvor errichtete „Zigeuner-Familienlager“ in Birkenau.

Im Frühjahr 1944 begannen die Behörden, auch in den Erziehungsheimen nach jugendlichen Sinti und Roma zu suchen. Rudolf war nun nicht mehr sicher. Er lebte zwar als Hilfsarbeiter auf einem Bauernhof, war offiziell jedoch immer noch ein sogenannter Anstaltszögling. Ende Mai 1944 wurde er von Beamten der Kriminalpolizei Erfurt verhaftet. Einige Tage später wurde auch er nach Birkenau deportiert. Nach seiner Ankunft erfuhr er, dass die SS seine Familie bereits ermordet hatte.

Im August 1944 löste die SS das „Zigeuner-Familienlager“ auf. Wer als arbeitsfähig galt, hatte eine Chance zu überleben. Alle anderen ermordete die SS in den Gaskammern.

Um sie als Zwangsarbeiter auszubeuten, brachte die SS Rudolf mit Hunderten Männern und Jungen in das Konzentrationslager Buchenwald. Die dortige SS hatte für ihn jedoch keine Verwendung. Gemeinsam mit 199 anderen jugendlichen Sinti und Roma schickte sie ihn einige Wochen später zurück nach Auschwitz, wo die meisten der Jungen nach der Ankunft ermordet wurden. Nur wenige hatten Glück und überlebten, darunter auch Rudolf.

In den Wirren der endgültigen Räumung des Lagers kam er Anfang 1945 in das Konzentrationslager Flossenbürg. Er floh von einem Todesmarsch und kehrte einige Monate nach Kriegsende kurz in das Raphaelsheim zurück. Später lebte er bei Verwandten in Niedersachsen. Die andauernde Diskriminierung der Sinti und Roma in Deutschland machten es ihm schwer, sich ein geregeltes Leben aufzubauen. Rudolf Böhmer wurde nur 40 Jahre alt.

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.

Joost van de Mortel

Als Joost van de Mortel 1942 zum Arbeitseinsatz einberufen wurde, dachte er nicht daran, für die deutschen Besatzer zu arbeiten. Schließlich war Van de Mortel eng mit dem Widerstand verbunden.

Joost van de Mortel half alliierten Piloten beim Grenzübertritt, betreute Untergetauchte, spionierte und stellte illegale Ausweise aus. Im Oktober 1942 schienen ihm diese Aktivitäten zum Verhängnis zu werden, als er im belgischen Turnhout verhaftet wurde. Doch es gelang dem 23-jährigen Bürgermeistersohn, sich in den Verhören herauszureden. Nach seiner Freilassung nahm er seine Widerstandsarbeit sofort wieder auf.

Im Laufe des Jahres 1943 beteiligte sich Joost, obwohl er katholisch war, auch an der Verbreitung der protestantischen Untergrundzeitung Trouw. Diese Aufgabe war nicht ohne Risiko, denn der deutsche Geheimdienst machte fanatisch Jagd auf die Trouw-Gruppe.

Am 13. April 1944 wurde Joost erneut verhaftet. Dieses Mal konnte er sich nicht mehr herausreden. Er wurde im Kamp Haaren inhaftiert, wo seit September 1943 mehr als zwanzig andere Trouw-Mitarbeiter inhaftiert waren. Die Gruppe wurde im Juli 1944 ins KZ Herzogenbusch gebracht, und Trouw wurde ein Ultimatum gestellt: Wenn die Veröffentlichung der Untergrundzeitung eingestellt würde, würden die Mitarbeiter nicht hingerichtet werden. Später wurde allerdings behauptet, dass das Ultimatum vorgetäuscht, die Todesurteile gegen die Trouw-Mitglieder vielmehr zu diesem Zeitpunkt bereits unterzeichnet waren.

Trouw erschien jedoch weiterhin und alle 24 Mitarbeiter wurden zum Tode verurteilt. „Wir haben unsere Pflicht getan, wir haben für Gott, unser Vaterland und uns Volk gekämpft“, sagte Joost am Tag vor seiner Hinrichtung zu einem Mitgefangenen. Sechs Mitarbeiter wurden am Abend des 9. August 1944 erschossen, siebzehn weitere, darunter Joost, folgten am Abend danach. Ein Verteiler wurde begnadigt.

Die 23 hingerichteten Trouw-Mitarbeiter wurden zwei Jahre später, am 9. August 1946, an der ehemaligen Hinrichtungsstätte geehrt. Joosts Vater Jan, Bürgermeister von Tilburg während des Krieges und ebenfalls eine Zeit lang inhaftiert, war einer der Redner: „Die beste Art, sie zu ehren, ist, erhobenen Hauptes weiterzumachen und wieder unsere Pflicht zu erfüllen.“ An dieser Stelle befindet sich heute ein Denkmal mit den Namen der Männer, die hier hingerichtet wurden.

Interessanterweise wurde Joosts Neffe Roderick im Jahr 2007 Bürgermeister von Vught (Standort des KZ Herzogenbusch).

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.

Don Innocenzo Lazzeri 

Don Innocenzo Lazzeri, Pfarrer von Farnocchia, floh in die Kirche von Sant’Anna. Die Zeugenaussagen erinnern an seinen vergeblichen Versuch, die Nazis um Gnade zu bitten und die Zivilisten zu retten, die mit ihm auf dem Kirchplatz zusammengetrieben wurden. 

Don Innocenzo Lazzeri war Pfarrer von Farnocchia, einem Dorf in der Nähe von Sant’Anna di Stazzema, das von den Nazis wenige Tage vor dem Massaker vom 12. August 1944 in Brand gesetzt wurde. Don Lazzeri hatte dank des Pfarrers Don Giuseppe Vangelisti eine Unterkunft in Sant’Anna gefunden. Er wohnte im Pfarrhaus der Kirche zusammen mit anderen vertriebenen Familien, darunter die Familie Tucci.

Am Tag des Massakers floh Don Lazzeri nicht wie die anderen Männer in den Wald. Als er von der Ankunft der Nazi-Soldaten erfuhr, beschloss er, bei den Frauen, Kindern und älteren Menschen zu bleiben. In seiner Zeugenaussage vom 12. August 1945 erinnerte der Augenzeuge Alfredo Graziani an die Taten des Pfarrers, der auf dem Platz blieb und die verängstigten Menschen aufnahm, die von den Nazis in der Ortschaft Il Pero zusammengetrieben wurden. Mehrmals suchte er das Gespräch mit dem Kommandanten. Selbst der Gefreite Adolf Beckert erzählte später, er sei Zeuge verschiedener Momente des Dialogs zwischen dem Priester, dem Kommandanten und dem Telegrafisten gewesen. Sie fragten ihn, wo die Männer und Partisanen seien, aber Don Lazzeri sagte, er wisse es nicht. Sie verprügelten ihn mehrmals mit vorgehaltener Waffe und versammelten ihn mit allen anderen Personen in der Nähe einer Platane. Laut dem Zeitzeugen Icilio Felici aus dem Jahr 1946 (der ein Buch über Don Lazzeri geschrieben hat) bot der Priester sein Leben an, um die anderen zu retten, sobald er die Absichten des Nazikommandanten verstanden hatte. Sein Angebot wurde jedoch nicht angenommen, und auf das vereinbarte Signal hin feuerten die Soldaten. Alle Anwesenden wurden getötet, außer Don Lazzeri, der – nach der Aussage von Graziani – von zwei Soldaten mitgenommen wurde. Nach dem Massaker wurde er auf den Kirchplatz begleitet, wo er gezwungen war, das Geschehene zu realisieren. Angesichts des Schreckens nahm der Priester den Leichnam eines Neugeborenen, hob ihn in den Himmel und zeichnete das Zeichen des Kreuzes und segnete alle Opfer und das brennende Land. Dann wurde er durch Maschinengewehrfeuer getötet.

Don Lazzeri wurde von der Italiensichen Republik mit der Medaglia d’oro al valor civile ausgezeichnet und anschließend von Yad Vashem in Jerusalem als Gerechter unter den Völkern anerkannt. 

Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der St. Joost School of Art & Design in Den Bosch und Breda.