Hans Leipelt

Hans Leipelt war Student in München. Am Tag der Verhaftung der Geschwister Scholl erhielt er ein Exemplar des sechsten Flugblattes der Weißen Rose. Er und seine Freundin Marie-Luise Jahn schrieben es mehrfach ab und verteilten es, mit dem Zusatz “…und ihr Geist lebt trotzdem weiter”.

Hans Leipelt wurde am 18. Juli 1921 in Wien geboren. Seine Mutter stammte aus einer christlichen Familie jüdischer Herkunft. Hans Leipelt und seine Schwester Maria, die nach dem Umzug nach Hamburg im Jahr 1925 geboren wurde, wurden protestantisch erzogen. Die antisemitischen Nürnberger Rassegesetze stigmatisierten die Geschwister 1935 als “jüdische Mischlinge ersten Grades” und die Mutter als “privilegierte Volljüdin”. Durch den Tod von Hans Leipelts Vater 1942, dem einzigen “arischen” Familienmitglied,  wurden sie schutzlos.

Nach dem Reichsarbeitsdienst trat Hans Leipelt in die Wehrmacht ein und nahm 1939 am Überfall auf Polen und 1940 am Frankreichfeldzug teil. Im Juni 1940 erhielt er eine militärische Auszeichnung, zwei Monate später wurde er als “jüdischer Mischling” unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen. Dieser Ausschluss traf ihn tief.

Hans Leipelt begann 1940 an der Universität Hamburg Chemie zu studieren. 1941 wechselte er nach München, wo er am Chemischen Institut der LMU unter Nobelpreisträger Heinrich Wieland Schutz vor Antisemitismus fand. Am Institut traf er auf Gleichgesinnte. Sie diskutierten offen über Literatur und moderne Kunst, hörten verbotene Musik und ausländische Radiosender.

Am 18. Februar 1943 erhielt Hans Leipelt ein Exemplar des sechsten Flugblatts der Weißen Rose mit der  Post und zeigt es seiner Freundin Marie-Luise Jahn. Bis dahin kannten sie die Weiße Rose und ihre Widerstandsaktionen nicht. Beide beschlossen, das Flugblatt zu vervielfältigen und weiterzugeben. In den Osterferien brachten sie Abschriften zu Freunden in Hamburg.

Am 8. Oktober 1943 sammelte Hans Leipelt Geld für die mittellose Familie von Professor Kurt Huber, der zum Tode verurteilt worden war. Die Geldsammlung wurde denunziert und er wurde von der Gestapo verhaftet. Weitere Verhaftungen im Freundeskreis in München und Hamburg folgten. Auch Leipelts Schwester Maria und seine Mutter Katharina wurden festgenommen. Katharina Leipelt nahm sich am 9. Dezember 1943 in ihrer Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel das Leben.

Nach einem Jahr in Untersuchungshaft fand am 13. Oktober 1944 in Donauwörth der Prozess vor dem Volksgerichtshof gegen Hans Leipelt und sechs weitere Angeklagte statt. Hans Leipelt wurde zum Tode verurteilt. Er wurde am 29. Januar 1945 im Gefängnis München-Stadelheim hingerichtet.

Boy Ecury

Boy Ecury aus Aruba – eine von den Niederländern kolonialisierte Karibikinsel – studierte in den Niederlanden, als das Land besetzt wurde. Er half, deutsche Lastwagen und Züge zu sabotieren und engagierte sich im bewaffneten Widerstand.

Als die Niederlande durch die deutsche Wehrmacht wurden, wandte sich Boy gegen das totalitäre, diskriminierende Regime der Besatzer. Zusammen mit seinem Freund und Studienkollegen Luis de Lannoy aus Curaçao – ebenfalls eine niederländische Karibikinsel – wurde er umgehend im Widerstand aktiv.

Mit selbstgebastelten Brandbomben setzte er deutsche Lastwagen in Brand und beteiligte sich bald auch an anderen Formen des Widerstands, wie der Hilfe für abgeschossene alliierte Piloten. Boy brachte die als Bauernjungen verkleideten Piloten mit dem Fahrrad zu einem Kontakt an der belgischen Grenze. Weil Boy schwarz war, fiel er auf. Das hatte den Nachteil, dass er oft angehalten wurde, aber zum Glück waren seine Papiere immer in Ordnung. Der Vorteil war, dass dadurch die verkleideten Piloten weniger auffielen.

Während des Krieges lebten einige tausend Schwarze aus Surinam und den niederländischen Karibikinseln in den von Deutschland besetzten Niederlanden. Sie wurden von den Nationalsozialisten als minderwertig betrachtet, aber nicht aktiv verfolgt.

Im Februar 1944 wurde Luis de Lannoy verhaftet. Boy versuchte, ihn aus dem Gefängnis zu befreien, scheiterte jedoch. Einige Monate später verübten Boy und einige andere einen erfolgreichen Anschlag auf eine Eisenbahnlinie. “Es war stockdunkel […]”, erklärt ein befreundeter Widerstandskämpfer. Sie lösten die Bolzen, die die Eisenbahn an Ort und Stelle hielten, was eine schwierige Aufgabe war. “Die Spannung wurde fast unerträglich. Dann passierte es. Die riesige Lokomotive entgleiste in einem Funkenregen!”.

Nach dem erfolgreichen Sabotageakt stürmte die Polizei die Unterkunft von Boy, und er musste fliehen. In Amsterdam wollte er sich einer Gruppe von Widerstandskämpfern anschließen, aber sie hielten seine schwarze Haut für zu auffällig. Enttäuscht streifte Boy umher, bis er von einer Gruppe in Den Haag aufgenommen wurde. Er fühlte sich ängstlich und verfolgt, blieb aber aktiv. “Ich habe keine Frau und keine Kinder. Wenn ich nicht helfe, wer dann?”

Anfang November 1944 wurde Boy auf der Straße erkannt und verhaftet. Während der langen und gewaltsamen Verhöre gab er jedoch nichts zu und blieb kämpferisch: “Ich werde euch weiter bekämpfen.” Boy wurde am 6. November 1944 hingerichtet. Nach dem Krieg wurde sein Leichnam in Aruba beigesetzt. Sein Freund Luis de Lannoy überlebte den Krieg.

Ernst Sillem

Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 in die Niederlande einmarschierte, war Ernst Sillem 16 Jahre alt. Von Anfang an versuchte er, die Besatzer auf verschiedene Weise zu stören.

Der Schuljunge Ernst Sillem war der Meinung, dass die meisten Niederländer nicht genügend Widerstand gegen die deutschen Besatzer leisteten. Im Jahr 1940 schien das normale Leben wie gewohnt weiterzugehen. Für Ernst war das unverständlich. “Es muss etwas getan werden”, dachte er. An einem Abend Ende Januar 1941 kletterte er mit Taschenlampe, Farbe und Pinsel leise aus seinem Schlafzimmerfenster. Er ging zu seiner Schule in Baarn, schlug dort ein Fenster ein und kroch hinein. Im Schein der Taschenlampe malte er Botschaften an die Wände: “Weg Moffen” („Moffen verschwindet“) und “Weest niet passief anti Duits, maar actief!!!” (“Seid nicht passiv anti-Deutsch, sondern aktiv!!!!”).

Die Polizei leitete eine Untersuchung ein. Die obersten Klassen seiner Schule mussten einen Schreib- und Rechtschreibtest absolvieren, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich war, doch der Täter wurde nie gefunden. DieTat wurde in den ganzen Niederlanden bekannt. “Ich war sehr froh, dass sich diese Nachricht in den Niederlanden verbreitete, denn das war meine Absicht! Ich wollte, dass die antideutsche Stimmung in Gang kommt.”

Ernst Sillem beließ es nicht bei dieser Form des Widerstands. Zusammen mit seinem Freund Jaap van Mesdag wollte er nach England gehen, um gegen das NS-Regime zu kämpfen. Mit einem Kanu versuchten sie, in der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1942 die Nordsee zu überqueren. Ernst und Jaap gerieten in schlechtes Wetter und wurden in letzter Sekunde von einem deutschen Schiff gerettet. Sie wurden gefangen genommen und statt in England, landeten sie in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern. Nach zweieinhalb harten Jahren wurden sie schließlich am 29. April 1945 aus dem Konzentrationslager Dachau befreit.

Ernst war nicht der Einzige, der während des Krieges versuchte, nach England zu gelangen. Etwa 2.000 Niederländer erreichten England,  darunter mindestens 48 Frauen. Über 200 Personen überlebten diese Versuche nicht. Die meisten derjenigen, die England erreichten, schlossen sich dem niederländischen oder britischen Geheimdienst, der britischen Armee oder der Prinses Irene Brigade, der Armee der niederländischen Exilregierung, an.

Evy Poetiray

Die 19-jährige Indonesierin Evy Poetiray kam 1937 zum Studium in die Niederlande. Drei Jahre später wurden die Niederlande von der deutschen Wehrmacht  besetzt. Evy leistete Widerstand gegen das NS-Regime. Als junge Frau half sie Menschen in Verstecken und verteilte Widerstandszeitungen.

Indonesien, damals Niederländisch-Ostindien genannt, war eine niederländische Kolonie. Im Jahr 1940 lebten 800 bis 1.000 Indonesier in den Niederlanden. Wie viele indonesische Studenten in den Niederlanden war auch Evy Poetiray Mitglied der Studentenvereinigung Perhimpoenan Indonesia (PI). Die PI-Mitglieder setzten sich für die indonesische Unabhängigkeit ein und lehnten die niederländische Kolonialherrschaft ab. Zugleich stellten sie auch  gegen das rassistische NS-Regime. Nach dem deutschen Einmarsch mussten sich die PI-Mitglieder entscheiden, ob sie nun auf der Seite ihrer Kolonialherren kämpfen wollten. Der Vorstand der PI rief die Mitglieder zum Widerstand gegen die deutsche Besatzung auf.

Die PI wurde von den deutschen Besatzern verboten, doch ihre Mitglieder engagierten sich weiter im Widerstand. Evy sagte: “Die PI war gut organisiert. Von fünf Personen stand nur eine Person in Kontakt mit der Führung von Perhimpunan Indonesia. Wir haben uns jede Woche getroffen.” Evy versteckte Menschen in ihrem Haus und begann mit dem Verteilen von Widerstandszeitungen. “Es war sehr gefährlich, diese Zeitschriften zu verteilen, aber ich war jung und ich wagte es.” Evy arbeitete eng mit niederländischen Mitgliedern des Widerstands zusammen. “Die Indonesier appellierten ständig an das Gewissen der Niederländer. Da diese nun selbst unterdrückt wurden, entwickelten sie Verständnis für den indonesischen Kampf. Und sie veröffentlichten Artikel über die Unabhängigkeit Indonesiens.”

People of Colour wurden von den Nationalsozialisten als minderwertig betrachtet, aber nicht aktiv verfolgt. Als junge nicht weiße Frau wurde Evy nicht einfach so verdächtigt. Sie geriet wegen ihrer Widerstandsarbeit nie in Schwierigkeiten.

Nach der Befreiung der Niederlande setzte sich Evy für die indonesische Unabhängigkeit ein. Sie war sehr enttäuscht, als die Niederlande die Unabhängigkeit Indonesiens nach dem Zweiten Weltkrieg nicht anerkannten und einen Krieg begannen, um die Kontrolle über ihre Kolonie wiederzuerlangen. Erst nach vier Jahren Krieg und unter internationalem Druck erkannten die Niederlande 1949 die Unabhängigkeit Indonesiens an.

Fernanda Kapteijn

Fernanda Kapteijn, eine Jugendliche aus Utrecht, war eine Fahrradkurierin für den Widerstand. Frauen wie Kapteijn waren für den Widerstand unverzichtbar, da sie weniger Verdacht erregten und nicht zur Zwangsarbeit für das NS-Regime herangezogen wurden.

Fernanda Kapteijn war die Tochter kommunistischer Eltern, die eine Buchhandlung in Utrecht betrieben. Die Familie wohnte über dem Geschäft. Gleich zu Beginn des Krieges engagierte sich Fernanda, wie ihre Eltern, im Widerstand. In der Buchhandlung wurden illegale Zeitungen mit Schablonen versehen. Fernanda verteilte diese Zeitungen und Geld an Familien, deren Väter verhaftet worden waren. “Du durftest keine Angst haben. Du musstest einfach nur vorsichtig  sein. Dein Fahrrad musste in Ordnung sein, dein Licht musste in Ordnung sein. Denn du durftest nie wegen etwas anderem erwischt werden.”

Als Fernanda eines Tages mit 500 illegalen Broschüren in ihren Satteltaschen unterwegswar,  wäre es beinahe schief gegangen. “Plötzlich war da ein deutscher Kontrollpunkt.” Einer der deutschen Soldaten stieß ihre Satteltasche mit dem Kolben seines Gewehrs an. Die Broschüren waren unter Kartoffeln versteckt, und der deutsche Soldat ließ Fernanda passieren.  ”Ich fing an, so langsam und lässig zu gehen, wie ich konnte, obwohl ich am liebsten in vollem Tempo gerannt wäre!”

Ende 1944 wurden die Fahrradkuriere noch wichtiger für den Widerstand. Mitte September 1944 hatte die niederländische Exilregierung in London zu einem Bahnstreik aufgerufen, um den Transport der deutschen Truppen zu stoppen. Etwa 30.000 Bahnarbeiter tauchten mit finanzieller Unterstützung aus London unter. Aufgrund des Bahnstreiks wurde es für den Widerstand schwieriger, über größere Entfernungen zu kommunizieren. Es gab kaum Autos und kein Benzin. Daher verständigte sich der Widerstand hauptsächlich über Fahrradkurierdienste und illegale Telefonverbindungen. Um dies zu erleichtern, wurde ein Fahrradkuriernetz mit regelmäßigen Verbindungen eingerichtet.

Als Fernanda von der kommunistischen Widerstandsgruppe ihrer Eltern aufgefordert wurde, eine Waffe zu tragen, weigerte sie sich. “Da dachte ich mir: nicht jetzt und niemals. Ich habe nicht das Recht, jemandem das Leben zu nehmen.”

Hannie Schaft

Aus einem großen Gerechtigkeitssinn heraus studierte die rothaarige Jo Schaft 1938 in Amsterdam Jura. Während der Besatzungszeit half Jo unterdrückten Menschen. Ihr Pseudonym im Widerstand war: Hannie. Unter diesem Namen wurde sie später berühmt.

Zu Beginn des Krieges schien das Leben wie gewohnt weiterzugehen. Hannie studierte und verbrachte viel Zeit mit ihren Kommilitoninnen und Freundinnen Sonja Frenk und Philine Polak, die Jüdinnen waren. Ab Herbst 1940 waren ihre Freundinnen mit antijüdischen Maßnahmen konfrontiert, die Hannie wütend machten. Als Sonja und Philine einen Davidstern tragen mussten, beschloss Hannie, für sie Personalausweise von Menschen zu stehlen, die keine Juden waren. Das war ihr erster Akt des Widerstands. Später stahl sie viele weitere Ausweise und organisierte Verstecke. 

Anfang 1943 mussten alle Studenten in den Niederlanden eine “Loyalitätserklärung” unterschreiben, in der sie sich verpflichteten, der Besatzungsmacht zu gehorchen. Wer sich weigerte, durfte nicht weiterstudieren. Hannie unterschrieb nicht und widmete sich ganz dem Widerstand. Sie entschied sich für die extremste Form des Widerstands: Sie schloss sich einer Gruppe kommunistischer Widerstandskämpfer an, die Attentate auf Kollaborateure verübten.

Hannie führte ihre Missionen oft gemeinsam mit ihrer Widerstandsfreundin Truus Oversteegen aus. “Ich hatte mich als Mann verkleidet, damit Hannie und ich vorgeben konnten, ein verliebtes Paar zu sein”, erklärt Truus. “Verräter zu erschießen war eine schreckliche Sache. Aber es musste getan werden. Schließlich konnten wir sie ja nicht ins Gefängnis stecken.” Nachdem sie erfahren hatte, dass die deutschen Streitkräfte ein rothaariges Mädchen suchten, färbte sich Hannie die Haare schwarz und begann, eine Brille zu tragen. Doch eines Tages, im März 1945, wurde sie an einem Kontrollpunkt auf der Straße angehalten als sie illegale Zeitungen und eine Waffe bei sich trug. Sie wurde als “das Mädchen mit den roten Haaren” erkannt. Nach tage- und nächtelangen Verhören gab Hannie ihre Beteiligung am Widerstand zu, nannte aber keine Namen. Am 17. April, drei Wochen vor der Befreiung der Niederlande, wurde sie in die Dünen gebracht und ohne Gerichtsverfahren erschossen. Sie war 24 Jahre alt.

Johan Snoek

Johan Snoek half Menschen, die untertauchen mussten. Als er und seine Familie im September 1944 durch die Schlacht um Arnheim aus ihrem Haus vertrieben wurden, zogen sie zu seinen Tanten. Johan setzte die Widerstandsarbeit fort und half einem britischen General, über die Front zu seinen Truppen zu gelangen.

Johan war fast 20 Jahre alt, als die Niederlande besetzt wurden. Nach und nach wurde die Familie in den Widerstand hineingezogen. Johan stammte aus einer reformierten protestantischen Familie und betrachtete den Krieg als einen Kampf zwischen Gut und Böse. In seinem Tagebuch schrieb er über seine Tätigkeit im Widerstand: “Man würde seine Selbstachtung verlieren, wenn man es nicht täte.” Die Familie versteckte ein jüdisches Kind in ihrem Haus, und Johan organisierte weitere Verstecke. Während der Schlacht um Arnheim lag ihr Haus mitten in der Frontlinie. Die Familie musste zu drei Tanten ziehen.

Der britische General John Hackett war während der Schlacht von Arnheim schwer verwundet worden und saß im besetzten Teil der Niederlande fest. Hackett tauchte bei Johan und seiner Familie unter. Die Situation war nicht einfach, denn es herrschte große Lebensmittelknappheit, und die Familie Snoek war ebenfalls nur im Haus der Tanten zu Gast. Aber Hackett und die Familie kamen gut miteinander aus.

Nachdem Hackett sich von seinen Verletzungen erholt hatte, wollte er unbedingt zu seinen Truppen zurückkehren. Im Januar 1945 half Johan ihm, De Biesbosch zu erreichen, ein Naturschutzgebiet mit vielen Bächen und Sümpfen, das einen Fluchtweg in den befreiten Teil der Niederlande bot. Sie machten sich mit dem Fahrrad auf den Weg und Hackett trug ein Abzeichen mit der Aufschrift “schwerhörig”. So wollte er  verbergen, dass er kein Niederländisch sprechen konnte, falls er von deutschen Truppen angesprochen wurde.

Nach einer mehrtägigen Reise gelang es zwei Widerstandskämpfern, Hackett mit einem Kanu in befreites Gebiet zu bringen. Eine Woche später hörte Johan die verschlüsselte Nachricht auf Radio Orange: “Die graue Gans ist weg.” Das hieß, dass Hackett die Überfahrt geschafft hatte!

Nach ihrer Niederlage in der Schlacht von Arnheim versteckten sich etwa 350 alliierte Soldaten in diesem Gebiet. Mindestens 145 von ihnen gelang es mit Hilfe des niederländischen Widerstands zu den eigenen Linien zurückzukehren. Es gab 374 “Biesbosch-Durchquerungen”, die meisten von ihnen unter Beteiligung alliierter Soldaten, die versuchten, zu ihren Einheiten im befreiten Gebiet zurückzukehren. Versorgungsgüter wie Medikamente wurden in die entgegengesetzte Richtung, in die besetzten Niederlande, transportiert.

Marga Grunberg

Marga Grunberg war eine 17-jährige Jüdin, die aus Deutschland geflohen war. In den Niederlanden schloss sie sich dem Widerstand an, verteilte falsche Papiere, versteckte Menschen und half, eine Fluchtroute nach Frankreich einzurichten.

Marta Grunberg floh zusammen mit ihrer Familie 1934 vor dem Antisemitismus des NS-Regimes in die Niederlande. Als die Niederlande 1940 besetzt wurden, wurde eine antijüdische Maßnahme nach der anderen eingeführt.

Ab 1941 musste Marga eine separate jüdische Schule besuchen, und wie für alle Juden wurde ein großes “J” in ihren Personalausweis gestempelt. Ab 1942 musste sie einen Davidstern auf ihrer Kleidung tragen. “Im Juni 1942 begannen die Razzien und Deportationen. Als ich in der Nähe meines Hauses die Straße entlangging, kam plötzlich ein Razzia-Wagen, um Juden abzuholen.” Mit der Hilfe eines Fremden gelang Marga die Flucht. “Aber von diesem bangen Moment an beschloss ich, eine neue Identität anzunehmen und färbte mir die Haare blond.”

Über Piet Landweer, den Leiter des Amsterdamer Standesamtes, erhielt sie einen falschen Personalausweis, indem sie ihren Ausweis als verloren meldete. Er stellte ihr einen neuen Ausweis ohne das erforderliche “J” aus. Marga entfernte auch den Davidstern von ihrer Kleidung.

Piet und Marga begannen zusammenzuarbeiten. Piet Landweer fälschte Personalausweise mit den persönlichen Daten verstorbener Amsterdamer Bürger. Nach einem Angriff des Widerstands auf das Amsterdamer Standesamt im März 1943 wurde dies etwas einfacher: Das Chaos bot mehr Möglichkeiten, Dokumente zu fälschen. Margas Aufgabe war es, gefälschte Papiere zu verteilen, Unterkünfte für Untergetauchte zu finden und sie mit Bezugsscheinen zu versorgen. Marga lebte mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Amsterdam in einer Wohnung über einer NS-Sympathisantin. “Sie hat uns mehrmals das Leben gerettet, ohne es selbst zu wissen. Als zum Beispiel Häuser in unserer Straße durchsucht wurden, öffnete sie die Tür und sagte, dass in ihrem Haus nur Befürworter der Nazis wohnten. In der Höhle des Löwen ist man am sichersten.” In der Wohnung boten Marga und ihr Bruder Manfred Unterschlupf für Untergetauchte und sie organisierten einen Fluchtweg nach Frankreich.

Marga überlebte den Krieg. Piet Landweer wurde verhaftet und zusammen mit fünf Kollegen im Sommer 1944 hingerichtet.

Piet Meerburg

Piet Meerbug war ein Mitglied des Widerstands in Amsterdam. Er war der Anführer einer Widerstandsgruppe, die Hunderte von jüdischen Kindern vor der Deportation rettete und ihnen Verstecke zur Verfügung stellte.

Als die Niederlande besetzt wurden, hatte Piet Meerburg gerade sein Jurastudium in Amsterdam begonnen. In den ersten zwei Jahren der Besatzung studierte er einfach nur, aber nach und nach engagierte er sich auch im Widerstand.


Im Juli 1942, als die Deportation der Juden aus den Niederlanden begann, fragte eine Widerstandsgruppe aus Utrecht Piet, ob er helfen könne, Verstecke für jüdische Kinder zu finden. “Da wurde mir klar, dass ich mit dieser illegalen Arbeit einen Tagesjob haben würde. Ich brach mein Studium komplett ab.”

In Amsterdam wurde das Theater Hollandse Schouwburg als Deportationszentrum genutzt. Jüdische Kinder wurden in einem Kindergarten gegenüber dem Theater untergebracht, bevor sie deportiert wurden. Das jüdische Personal des Theaters und des Kindergartens schmuggelte Hunderte von Kindern mit Hilfe von nicht-jüdischen Studenten wie Piet weg. Er suchte nach Verstecken, oft in Friesland und Limburg, Regionen weit weg von Amsterdam: “Babys waren nie ein Problem. Aber wenn es um ältere Jungen ging, die eindeutig jüdisch aussahen, war das eine andere Geschichte”.

Ein großes Hindernis war, dass die Eltern ihre Kinder nicht ausliefern wollten. Piet verstand das. „Wer würde sein Kind einfach weggeben?” Walter Süskind war der Dreh- und Angelpunkt. Als Mitarbeiter des Zentralrats der Juden wusste er, welche Eltern ihre Kinder untertauchen lassen wollten. Die Leiterin des jüdischen Kindergartens, Henriëtte Pimentel, half den Kindern bei der heimlichen Flucht über einen Schmuggelweg, den der Direktor der benachbarten Schule bereitstellte.

Laut Piet entwickelte sich unter den jungen Helfern eine besondere Atmosphäre: “Die Spannung, die Angst und die Kameradschaft. Manchmal weckte es das starke Gefühle der Liebe.”

Nach dem Krieg arbeitete Piet für die Commissie voor Oorlogspleegkinderen (Kommission für Kriegspflegekinder). Etwa 5.000 jüdische Kinder überlebten den Krieg in Verstecken, oft bei christlichen Pflegefamilien. Etwa 2.000 dieser Kinder hatten beide Elternteile verloren. Um sie herum entstand ein Konflikt: Sollten sie bei ihren christlichen Pflegeeltern bleiben oder von ihren jüdischen Verwandten aufgezogen werden? Piet verließ die Kommission wegen dieses Konflikts.